«Die moderne Arbeitswelt verlangt nach individuellen Lösungen.»

Die Valida bietet Menschen mit Unterstützungsbedarf eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle, die ihren Bedürfnissen entspricht. Menschen mit Unterstützungsbedarf finden bei der Valida ein individuelles Zuhause, das Geborgenheit gibt und eine sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglicht. Die Valida ist aber auch ein Produktions- und Dienstleistungsbetrieb, der sich in offenen Märkten als zuverlässiger Partner der Ostschweizer Wirtschaft beweisen muss.
Beda Meier
Die Valida befindet sich seit Jahren im steten Wandel. Sowohl unsere «internen» Kunden als auch unsere «externen» Geschäftspartner verlangen immer häufiger nach individuellen Lösungen. Vor allem unsere Leistungen für betreute Menschen sind deutlich individueller geworden. Früher – konnte man überspitzt sagen – hielten wir einen Katalog an bestimmten Dienstleistungen für sie bereit. Das genügt heute nicht mehr. Wir spüren zunehmend, dass jeder unserer Kunden andere Wünsche und Vorstellungen hat, dass jeder Fall anders ist und wir mit jeder Person anders umgehen müssen. Von unseren «internen» Kunden hat praktisch jeder ein anderes Setting mit anderen Dienstleistungen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn ich Sie nach «Lösungen für Kunden?» frage?
Patrick Scheiwiller
Zuerst einmal, dass zwischen der Valida und deren internen Kunden sowie der IV eine enge gegenseitige Abhängigkeit besteht. Wir sind einerseits für die Valida eine Finanzierungsquelle. Andrerseits sind die Bezüger der finanziellen IV-Leistungen gleichzeitig auch unsere Kunden. Und jeder unserer Kunden hat andere Bedürfnisse bezüglich Unterstützung. Zudem stellen wir gemeinsam eine wichtige Schnittstelle zum ersten Arbeitsmarkt dar.
Katharina Lehmann
Auch in den drei Firmen der Lehmann Gruppe haben wir es immer häufiger mit Projekten und Aufträgen zu tun, die komplex und individuell sind. Für unsere Mitarbeitenden wird damit der Anteil der repetitiven Arbeiten immer kleiner. Das Bauen mit Holz erlebt seit einiger Zeit einen Boom. Dank neuer Techniken und Prozesse kann Holz in immer anspruchsvolleren Bauten als Werkstoff verwendet werden. Damit verändern sich die Anforderungen an uns und unsere Mitarbeitenden. Wir bewältigen diese Herausforderungen mit einem hohen Mass an Innovationskraft und Kundennähe.
Beda Meier
Sie befinden sich also mit Ihrer Lehmann Gruppe in einer Marktspirale, die «immer besser, besser, besser…» verlangt? Oder müssen Ihre Firmen einfach anders statt besser als die Mitbewerber sein?
Katharina Lehmann
Unsere Kunden erwarten von uns in erster Linie, dass wir unser Handwerk beherrschen. Das ist die Basis. Darüber hinaus erwarten sie von uns aber auch neue Ideen, andere Lösungsansätze, sowie andere Geschäftsmodelle.
Beda Meier
Ihre Rolle im Markt verändert sich also?
Katharina Lehmann
Ja, aber nicht nur unsere Rolle verändert sich. In der Holzbranche ist die ganze Wertschöpfungskette in Bewegung. Und es kann schon sein, dass einzelne Teile der Kette irgendwann einmal nicht mehr gebraucht werden.
Beda Meier
Was ist in diesem Umfeld für Sie als Unternehmerin die grösste Herausforderung?
Katharina Lehmann
Den Datenfluss im Griff zu haben.
Patrick Scheiwiller
Auch wir als Sozialversicherungsanstalt des Kantons St.Gallen sind ein Unternehmen, das den Veränderungen auf den Märkten folgen muss. Es ist nicht so, dass wir einfach unsere Verwaltungsaufgaben erledigen. Vor allem im Bereich der Invalidenversicherung sehen wir, dass jeder unserer Kunden andere Bedürfnisse hat. Bei dieser Vielfalt von Ansprüchen ist
es eine Herausforderung, das Geschäft so weit wie möglich zu automatisieren. Dabei ist das Handling der Daten nicht die einzige Knacknuss, sondern vor allem die Datensicherheit und der Datenschutz. Nur schon wegen der Sensibilität der Daten können wir diese nicht einfach verlagern.
Beda Meier
Da haben wir es einfacher. Wir diskutieren bereits mit unseren Kunden, dass wir ihre Datenbanken teilweise betreiben. So könnten wir diverse Aufträge gleich personalisiert verpacken und versenden. Mit solchen Dienstleistungen schaffen wir auch neue Arbeitsplätze mit anderen Anforderungen als den bisherigen.
Katharina Lehmann
Das ist auch bei unseren Betrieben zu beobachten: Neue Technologien und Kundenbedürfnisse lassen neue und andersartige Arbeitsplätze entstehen, dafür verschwinden andere. Das heisst,
dass wir neue Leute suchen müssen oder die Bestehenden für die neuen Aufgaben bereit machen müssen. Das bedeutet: Stete Ausbildung und Weiterbildung sowie Überbrückungsangebote. Diese Herausforderung treibt uns täglich an. Mit der Anpassung der Arbeitsinhalte können wir nicht bis morgen warten. Das müssen wir jetzt anpacken.
Beda Meier
Und wie reagieren Ihre Mitarbeitenden?
Katharina Lehmann
Es ist sicher eine gewisse Verunsicherung zu spüren. Vor allem ältere Mitarbeitende fragen sich, ob sie den neuen Herausforderungen noch gewachsen sind. Da ist es umso wichtiger, dass wir unsere Mitarbeitenden eng begleiten. Übrigens: Je höher der Bildungsstand eines Mitarbeitenden, umso besser ist sein Umgang mit Veränderungen.
Patrick Scheiwiller
Das ist Change-Management im eigentlichen Sinn. Wir müssen uns als Führungspersonen täglich anstrengen, um gute Mitarbeitende bei der Stange halten zu können. Wir müssen gut zu unseren Mitarbeitenden schauen, sonst werden sie krank, scheiden aus dem Arbeitsprozess aus und landen am Schluss bei Unternehmen wie der Valida. Es gilt allgemein: Die Jobs werden anspruchsvoller, Existenzängste entstehen. Das ist zuerst einmal eine Herausforderung für unsere Gesellschaft und den Staat. Da ist schon bald einmal der erneute Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen zu hören. Zugleich ist das aber auch eine Chance für alle, die offen für Veränderungen sind. Zur Meisterung der Herausforderungen sind eine offene Kommunikation und die Schaffung von Verständnis notwendig.
Katharina Lehmann
Das kann ich nur unterstreichen. Die Anforderungen an Führungskräfte sind enorm gestiegen. Wir leben in einer Zeit der allgemeinen Verunsicherung, in der der technische Fortschritt uns alle fordert.
Beda Meier
Da ist auch die sogenannte «Leadership » gefragt…
Katharina Lehmann
Ja, unbedingt. Leadership ist nicht mehr nur die Aufgabe der obersten Führung, sondern auf allen Kaderstufen notwendig geworden. Früher genügte es, fachlich ein Vorbild zu sein. Heute müssen Vorgesetzte viel mehr informieren und kommunizieren, zuhören und erklären, ihre Untergebenen führen und motivieren können.
Patrick Schweiwiller
Dabei ist Leadership nicht einfach lernbar. Sie ist vielmehr ein Abbild der Persönlichkeit. Man hat die Fähigkeit zu führen oder nicht. Oft ist diese Fähigkeit aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Es gilt also, die latent vorhandene Fähigkeit zu führen zu entdecken und zu fördern. Entsprechend besteht meine Haupttätigkeit als Leiter der IV-Stelle der SVA des Kantons St.Gallen im Kommunizieren. Ich muss meine Leute und ihre Wünsche kennen, muss ihre Reaktionen antizipieren und sie auf unserem gemeinsamen Arbeitsweg mitnehmen.
Katharina Lehmann
Wenn die Aufgabe klar ist, ist das Führen einfach. Stehen wir aber vor einer Aufgabe, für die wir die Lösung zuerst noch suchen müssen, wird die Sache schwierig. Das ist bei uns im Holzbau
der Fall, wenn ein Architekt mit einer Idee zu uns kommt, für deren Realisierung noch keine Lösung besteht, weil zum Beispiel die notwendige Technologie noch nicht existiert oder der Weg
zum Ziel noch unklar ist. Da zusammen mit dem Team eine Lösung zu finden,
das ist eine echte Führungsaufgabe.
Beda Meier
Das erleben wir auch bei der Valida. Wenn zum Beispiel ein Kunde die Herstellung einer Zahnbürste aus Holz wünscht, müssen wir im Team und in der internen Diskussion eine Lösung dafür finden. Da sind auch unsere Kaderleute gefordert. Und wenn die von uns Betreuten für die Erfüllung solcher neuer Aufgaben eine zusätzlich Ausbildung benötigen, wird die Sache noch komplexer.
Patrick Scheiwiller
Da sind wir zurück bei der eingangs gestellten Frage nach individuellen Lösungen für unsere Kunden. Die Kunden der IV-Stelle sind in irgendeiner Form in ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt. Jeder Fall ist einzigartig. Wir müssen für jeden Fall eine individuelle Lösung finden. Dafür haben wir verschiedene Instrumente zur Hand. Wichtig ist, das richtige Instrument auszuwählen. Und wo es noch kein Instrument gibt, müssen wir eine neue Lösung suchen.
Katharina Lehmann
Das ähnelt unserer Arbeit. Wir dürfen uns von der zunehmenden Individualisierung nicht erdrücken lassen. Es gilt, sie zu beherrschen. Dafür müssen wir die richtigen Arbeitsabläufe kreieren. Für neue Aufgaben gibt es neue Abläufe oder Methoden. Und wenn wir unsere Mitarbeitenden mit ihren Stärken und Schwächen kennen, so wissen wir auch, wen wir aufgrund seiner/ihrer speziellen Eignungen für welche Aufgabe einsetzen können. Eigentlich
wäre es einfach.
Patrick Scheiwiller
Dafür müssen wir aber bestehende Strukturen aufbrechen. Wir müssen ein System schaffen, das den Einsatz nach Fähigkeiten möglich macht. Bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wie der SVA mit ihren behördlichen Strukturen ist das wahrscheinlich etwas schwieriger als bei privatwirtschaftlichen Organisationen.
Beda Meier
Und wie schaffen wir es, bestehende Strukturen anzupassen?
Katharina Lehmann
Indem wir unseren Mitarbeitenden die Verunsicherung nehmen, sie aber gleichzeitig einem gewissen Leidensdruck aussetzen. Wir müssen unsere Leute fordern und ihnen anspruchsvolle
Ziele vorgeben, den Grund für anstehende Veränderungen aufzeigen und ihnen aber auch den notwendigen Raum für Lernprozesse geben. Bewegen müssen sie sich dann aber selbst. Ein gesunder Leidensdruck gibt Energie für Veränderungen. Wir gestalten als Führungskräfte das Umfeld unserer Mitarbeitenden so, dass sie sich entfalten können, und wir befähigen sie, ihre Aufgaben selbständig zu erledigen.
Beda Meier
Und wie sieht das konkret im Alltag aus?
Katharina Lehmann
Wenn wir einen neuen Kundenauftrag erhalten, suchen wir intern den «Champion», der das kann, und bilden um ihn herum ein Team mit den notwendigen Fachkräften. Diesen Champion und sein Team unterstützen wir dann und geben ihm die notwendige Verantwortung – und auch die Kompetenzen.
Beda Meier
Ihre «Champions» erinnern mich an unsere «Experten», zu denen wir die Mitarbeitenden mit Unterstützungsbedarf weiterbilden, damit sie selbständig und in eigener Verantwortung ganze Arbeitspakete übernehmen können.
Patrick Schweiller
Das kann ich bestätigen. Die Kunst der Mitarbeiterführung besteht darin, die vorhandenen fachlichen und emotionalen Kompetenzen der Mitarbeitenden optimal einzusetzen und die Weiterbildung zu fördern.